Hallo, meine Liebe!
Hallo, meine Liebe!
Heute bekommst Du Post von vielen Freundinnen.
Denn das sind wir: Viele Freundinnen!
Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich durch unsere Brieffreundschaft bereichert und gewärmt fühle. Mir jedem Brief, den ich schreibe und mit jedem Brief, den ich bekomme wächst das Gefühl der Verbundenheit.
Und, ganz ehrlich, dieser Newsletter ist anstrengend für mich. Er ist lang, zu lang, befürchte ich manchmal, er ist sehr persönlich, zu persönlich, befürchte ich manchmal, und er kostet mich viel Zeit und viel Energie.
Kennst Du das?
Dass du die wichtigen und schönen Dinge vor Dir herschiebst, weil Du auf einen Zeitpunkt wartest, an dem Du ihnen mit Ruhe und Konzentration gerecht werden kannst? Und dann drängt sich immer wieder so viel Alltägliches und dennoch so Dringendes zwischen Dich und das Wichtige, dass irgendwann sogar das Schöne zu einer Pflicht wird.
Das geht mir mit Briefen so, die viel zu lange unbeantwortet bleiben, weil ich noch einen Podcast vorbereiten, das Finanzamt erreichen, einen Termin bei der Augenärztin vereinbaren und einen Shuttleservice zum nächsten Hockeyspiel organisieren muss. Auf meinem Tisch stapeln sich Bücher, auf die ich mich so gefreut habe und die irgendwann anfangen, mir ein schlechtes Gewissen zu verursachen, weil sie gelesen werden wollen und weil sie immer wieder verdrängt werden von den Mails, die beantwortet, den Vokabeln, die abgefragt und den Kapiteln, die geschrieben werden müssen.
Dann wird das „Ich will“ zu einem „Ich muss“ und aus der Leichtigkeit eine Last. Und das möchte ich nicht. Müssen ist unfreiwillig, es klingt nach ungeliebter Pflichterfüllung – wo doch, zum Glück, das Allermeiste an Verpflichtungen in meinem Leben Selbstverpflichtungen sind. Insofern lohnt es sich, dass ich auf die Wahl meiner Worte achte, meiner Familie und meinem Unbewussten nicht sage: „Ich muss noch eine Stunde arbeiten“, sondern: „Ich möchte jetzt noch eine Stunde arbeiten“. Ich will Verantwortung übernehmen für das, was ich tue und meinen Stolz darüber ausdrücken, dass ich ein selbstbestimmtes Leben lebe, in dem ich die Arbeit und die Pflicht weitgehend selbst gewählt habe.
Außerdem kenne ich das große Vergnügen, dass es bedeutet, sich dem Wichtigen endlich zuzuwenden, so wie jetzt, wo ich mich hinsetze und diesen Brief schreibe. Das schlechte Gewissen verschwindet und das Wollen kehrt zurück. Die Anstrengung weicht dem Gefühl, in eine Gemeinschaft hinein zu schreiben, in der wir uns alle geborgen fühlen und unsere Sorgen, Erinnerungen und Ermutigungen teilen dürfen.
Irmi erzählt in ihrem Brief von dem schweren Abschied von ihrer Oma und später ihrem Vater, und von dem peinigenden Gefühl, diesen Situationen nicht wirklich gerecht geworden zu sein. Sie schreibt: „Diese Scham, diesen Selbstvorwurf spüre ich immer noch, nun, nachdem mein Vater vor einem halben Jahr gestorben ist.“
Ute schreibt: „Dein Ich ist fürsorglich und du darfst vertrauen.“
Anna liebt das Meer und tröstet sich in schweren Stunden mit dem Satz: „Ich komme wieder“. Ildikó, meine Namenscousine, erinnert sich: „Weißt du, meine Oma hat mich immer ganz liebevoll Ildikóka genannt. Wenn sie anfing: „Ildikókám..“ war das das Schönste für mich. Nie hat mich jemand so liebevoll genannt. Manchmal, wenn es dunkler und schwerer wird in mir und um mich rum, dann sage ich diesen Namen ganz leise und kann wieder diese unendliche bedingungslose Liebe meiner Oma spüren.“ Und während ich Deine Zeilen lese, liebe Ildikóka, höre ich meine Mutter sagen: „Mein Liebchen.“ Und ich weiß wieder genau, von welcher bedingungslosen Liebe du sprichst.
Christa bemerkt, dass sie mit zunehmendem Alter immer mehr Zeit für sich alleine braucht. Das geht mir ähnlich, aber anders als Du, liebe Christa, kann ich mir das noch nicht so richtig gut eingestehen.
Nicole folgte ihrem Instinkt und eilte zu ihrem Vater ins Krankenhaus. Er war tot, als sie ankam. „Ich sehe ihn heute noch vor mir. Irgendjemand hatte ihm die Haare ganz streng aus dem Gesicht gekämmt. Er sah dadurch ganz fremd aus. Am liebsten hätte ich die Frisur gerichtet. Traute mich aber nicht. So habe ich seine Hand genommen und weiß heute noch, dass ich verwundert war, dass sie warm war.“
Ich verstehe dich so gut, liebe Nicole! Und ich erinnere mich an die völlig verunglückte Frisur meiner toten Mutter. Und auch ich kam nur Minuten zu spät.
Dorthe arbeitet daran, mit sich selbst Mitleid haben zu dürfen. Und das ist etwas ganz anderes, als Selbstmitleid zu haben. Und ja, liebe Marita, ich lese und beantworte alle Briefe selbst.
Andrea schickt einen lächelnden Froschkönig mit der Überschrift: „Das Jahr des Wandels“. Sie schreibt: „Er hilft mir, den Glauben und die Hoffnung zu behalten, Zuversicht, das „Gutes“ erwächst.“ Der Typ gefällt mir, liebe Andrea, er ist bestimmt ein Verwandter, von dem Stein-Maulwurf namens Roman, der in meinem Garten sitzt 🙂! |
|
|
|
|
Kerstin schreibt davon, wie sehr sie in den letzten Jahren gewachsen ist an Dingen, die sie gewagt hat, obwohl sie Angst davor hatte.
Karin schickt das Bild von dem See, an den sie im Sommer immer wieder mit dem Fahrrad gefahren ist. „In einer depressiven Phase schaffe ich es nicht, mich aufzuraffen. Aber in einer leichten Phase hilft mir diese Strecke, das Fahrradfahren und Schwimmen, dass es mir länger gut geht.“ Ihr Satz für dunkle Stunden heißt: „Ich habe es geschafft!“ |
|
|
|
|
Isabella nimmt gemeinsam mit uns Abschied von ihrem Hund Oskar. Er hat ihr so viel bedeutet, sie begleitet, ihr sogar das Leben gerettet und sie 19 Jahre lang bedingungslos geliebt. Sie vertraut uns das ergreifende Bild ihres toten Hundes an, verbunden mit der Aufforderung, jeden Tag bewusst zu leben. |
|
|
|
|
|
Kerstin schickt eine super Ermunterung in unsere Runde: |
|
|
|
|
Angelika möchte 104 Jahre alt werden, Gerwine hat gerade eine Krebsoperation hinter sich, Annette hat überlebt, Elke erinnert sich voll Trauer an ihre Kindheit, Iris sagt, wir sollen alle mal das schöne Lied von Sarah Conner „Weißt Du noch Herz“ hören, Anna schaut lieber nicht zurück in ihre schlimme Vergangenheit und Wiebke fotografiert jeden Abend aus ihrem Garten heraus den Sonnenuntergang.
Das sind wir.
Das sind wir mit unserem wunderbaren, unserem verstümmelten, harten, grausamen, unserem atemberaubenden, langweiligen, bunten, dunklen, armen und reichen Leben.
Ich schicke Euch zum Ende dieses Gemeinschafts-Briefes ein Foto von dem Luftballon, den ich für meinen großen Sohn gekauft habe, als wir ihn nach den Ferien am Flughafen abholten. Da war er noch prall und knackig (der Ballon 😊). Jetzt ist er etwas verhutzelt und schlapp und beginnt, langsam zu Boden zu sinken.
Na und? Er bleibt ein Herz.
Wäre ich ein amerikanischer Popstar, würde ich an dieser Stelle hysterisch kreischen: „I love you!“
Stattdessen sage ich: Danke für Deine Freundschaft.
Bis bald!
Deine Ildikó
PS: Gerade eben haben mich noch mehr Sommer-Briefe erreicht. Danke, liebe Roswitha, liebe Martina, liebe Marion, liebe Ingrid, liebe Yvonne, liebe Gyde, liebe Regina, liebe Petra, liebe Juliane und liebe Kati! Ich werde in meinen nächsten Briefen all Eure sonnigen und ermutigenden Bilder und Worte in diese Runde weiterleiten. Und manchmal, wenn ich das Gefühl habe, dass wir alle gerade einen kleinen extra Sonnenstrahl gebrauchen könnten, auch einfach zwischendurch!
Nochmals herzlich❣️ Ildikó
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Impressum |
Rowohlt Verlag
Kirchenallee 19
20099 Hamburg
E-Mail: info@rowohlt.de |
|
|
|
|