Hallo, meine Liebe!
Hallo, meine Liebe!
Ich werde ihn einfach nicht los. Ein halbes Jahrhundert schleppe ich ihn schon mit mir herum, mal sitzt er mir im Nacken, mal stellt er mir ein Bein, mal schnürt er mir die Kehle zu, bricht mir das Herz, liegt mir auf der Seele oder schlägt mir auf den Magen. Wie lange wird er mir noch das Leben schwer machen? Und wie heißt es überhaupt, dieses garstige Ding? Wäre er eine Figur in einem Fantasy-Roman, würde ich ihn „Der Schangst“ nennen.
Als ich eben die Augen schloss, um in mir selbst auf die Suche nach dem ersten Satz und einem Thema für diesen Brief an Dich zu gehen, sprang er mich an. Der Schangst. Dieses wilde, tückische Tier, bestehend aus zwei fiesen Gefühlen, die kaum zu bezähmen sind: Scham und Angst.
Ja, ich weiß, dass ich Herrin bin über meine Gefühle, dass ich sie habe und nicht sie mich, dass es eben „nur Gefühle“ sind, die zunächst mal nicht unbedingt etwas mit der Realität und der Faktenlage zu tun haben. Ich sollte sie also nicht ganz so ernst nehmen. Aber sag das mal einer hysterisch veranlagten Rheinländerin mit ungarischer Abstammung. Pathos ist mein zweiter Vorname, mich reinsteigern ist meine Lieblingsdisziplin, in der ich regelmäßig Höchstleistungen erbringe. Meine Gefühle sind stärker als ich. Der Schangst ist ein ausgefuchster Stratege, er ist der Trump unter den Gefühlen, der Orbán der Emotionen, er ist populistisch und radikal, er bedient sich unlauterer Manipulationsmethoden, betreibt Wahlbetrug und verunglimpft alles, was nicht in sein düsteres Bild passt, als Lügen und gefährliche Verharmlosung.
Wie sieht Dein Schangst aus? Wann begegnest Du ihm? Und kannst Du ihm die Stirn bieten?
Ich will Dir eine kleine, eigentlich harmlose Situation schildern. Letzte Woche war ich nach langer Zeit mal wieder beim Sport in einem Studio. Ich traute mich in die „Tae Bo“-Stunde, ein super anstrengendes Workout in der Gruppe. Ich hatte überlebt. Das reichte mir, um stolz zu sein. Doch gleich nach der Stunde überkam mich die altvertraute Scham. Ich packte eilig meine Sachen zusammen und vermied den Augenkontakt mit anderen. Ich hastete mit gesenktem Blick hinaus, grüßte niemanden und atmete erst in der Sicherheit meines Autos auf. Ich drehte den Rückspiegel zu mir und schaute in mein hässliches Gesicht. „Die Kürthy explodiert gleich“, hörte ich jemanden rufen und dabei hämisch lachen. Der Spott ist 40 Jahre alt. Er hallt bis heute nach und ich schäme mich genauso wie früher. Früher, als ich mich nach den Sportstunden auf dem Klo versteckte und verzweifelt hoffte, die tiefe Röte in meinem Gesicht würde bis zur nächsten Stunde verschwunden sein.
Wann beginnen wir, uns zu schämen? Erst, wenn wir beginnen, anderen gefallen zu wollen und wenn das immer wieder misslingt. Scham beginnt mit Beschämung. Irgendjemand, der Dich verspottet, der Dir sagt, Dein Hintern sei zu dick oder zu mager, Deine Beine seien zu stämmig oder zu dürr, Dein Busen zu groß oder zu klein. Jemand lacht Dich aus, weil Du beim Sport rot wirst, ein Typ aus der Parallelklasse macht eine gehässige Bemerkung, er hat sie im selben Moment vergessen, aber Du schämst Dich ein halbes Jahrhundert später immer noch.
So leicht kommen Angst und Scham in uns hinein. Ich habe noch eine Menge mehr davon. Ich schäme mich für den Leberfleck auf meinem Oberschenkel und ich fürchte mich immer noch, bitte lach nicht, vor dem Monster unter meinem Bett. Auch deshalb mag ich so gerne Boxspringbetten, weil da kein Schangst drunter passt. 🙂
Was hilft?
Reden und das Gefühl, ernstgenommen zu werden. Zugehörigkeit hilft, Zuspruch und die Gewissheit, nicht alleine zu sein. Jede von uns leidet unter ihrem Schangst. Es ist nicht albern, es ist nicht unnormal, es ist nicht peinlich. Und je offener wir ihn benennen, den Diktator unserer Gefühle, desto schwächer wird er. Aufklärung, Gemeinschaft und Liebe sind die mächtigsten Feinde eines jeden Tyrannen.
Und hier folgt nun eine geballte Ladung Aufbaumaterial. Liebevolle Ermutigung und Zuversicht. Von Euch für uns. Sonnengrüße und frohe Botschaften von all den wunderbaren Postkarten, die mich in den letzten Wochen erreicht haben:
„Ich muss gar nichts!“
„Ich glaube, dass wir manchmal im Schlaf umarmt werden – von Menschen, die nicht mehr da sind. Dann schaut die Seele vorbei und lässt uns etwas Kraft da.“
„Im Hier und Jetzt brauche ich keine Angst zu haben!“ |
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„Es geht weiter…vertraue Deinem Herzen und Deinen Träumen!“
„Glücksmomente sind überall – ich muss nur genau hinsehen!“
„Lerne dankbar zu sein für alles Schöne in Deinem Leben. Den Zauber selbst in kleinen Dingen erkennen zu können, ist ein Geschenk, das nur darauf wartet, von Dir entdeckt zu werden, jeden Tag aufs Neue.“ |
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Wusstest Du, dass alle Sonnenblumen ihr Gesicht schon am Abend in die Richtung wenden, in der am Morgen die Sonne aufgehen wird? Sie rechnen schon mitten in der Nacht mit dem kommenden Licht.
Alle. Bis auf eine!
Und diese eine hat unsere Brieffreundin Karen entdeckt und fotografiert. Diese Sonnenblume tanzt aus der Reihe, sie dreht sich zu Dir um, sieht Dich direkt an, als wolle sie Dir lächelnd sagen: „Komm mit.“
Also, warum nicht? Komm mit!
Ich grüße Dich herzlich!
Deine Ildikó |
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Ach ja, und weil ich in den kommenden Wochen auf Tour gehe, möchte ich dieses Mal in meinem Newsletter tatsächlich auch ein paar News unterbringen, auf die kommenden Vorstellungen hinweisen und Dir hier schon verraten, mit wem ich wo auftrete:
Bochum am 21.10. mit Tine Wittler
Düsseldorf am 22.10. mit Jörg Thadeusz
Hamburg am 24.10 mit Saskia Fischer
Aachen am 28.10 mit Jörg Thadeusz
Bonn am 29.10 mit Bärbel Schäfer
Oberhausen am 30.10 mit Gerburg Jahnke
Münster am 31.10. mit Tine Wittler
Bremen am 1.11. mit Saskia Fischer
Hannover am 5.12. mit Saskia Fischer
Hamburg am 7.1.2023 mit Saskia Fischer
Weitere Details & Tickets findest Du auf meiner Website: https://www.ildikovonkuerthy.de/auf-der-buehne/#termine |
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